Sigita Laubengaier, 1967 in Litauen geboren, lebt heute als freie Künstlerin in Stuttgart-Hedelfingen.
Obwohl Malen von Kindheit an Teil ihres Lebens war, führten weite Umwege dahin, wo sie heute steht. Lehrer haben sie von Anfang an unterstützt und gefördert. In der Zeit des zusammenbrechenden Sowjetreiches war allerdings ein Studium von Chemie und Pädagogik lebensnotwendiger als Kunst. Viele Jahre konnte Sigita Laubengaier fast nur nachts malen, tagsüber arbeitete sie in kunstfremden Berufen.
Wie schon zu Gymnasialzeiten, als sie sich autodidaktisch mit Acryl- und Ölmalerei, mit Gips, Ton, Holz und Stein auseinandergesetzt hat, sucht sie auch heute nur technische Hilfen. Formal geht sie eigene Wege, will frei sein. Sie ist Autodidaktin, was heute offensichtlich leider Mut erfordert, weil so oft nach „Ausbildung“ gefragt wird in Deutschland. Aber KUNST lässt sich nicht lehren, insofern sind Akademien keine Stätten, an denen Künstler wachsen können! Kandinsky meinte vor bald 100 Jahren: „Die Kunst ist tatsächlich nicht zu erlernen – ganz genau wie die schöpferische Arbeit und Erfindungskraft in der Wissenschaft oder in der Technik nicht gelehrt oder gelernt werden kann.“ Dessen sollten wir uns bewußt sein und eben gerade NICHT nach Ausbildungen fragen – es sei denn in technisch-handwerklicher Sicht. Doch dabei geht es ja nur um „Können“, jedoch nie um „Kunst“!
„Das Können ist notwendig, aber die großen Könner sind oft keine großen Künstler“, betonte Philipp Frank (dt. Maler und Grafiker) zu Beginn des 20. Jhds und ergänzte: „ Zum Künstler gehört mehr als Können, es gehört zum Künstler auch der Mensch.“
Auf den Punkt gebracht glaube ich: vorrangig der Mensch, ER ist das Medium, der Kern aus dem überhaupt erst etwas entstehen kann, das weiter reicht als unser jetziges Dasein. Fehlt es daran, kann keine Kunst entstehen. Dann entsteht nur, was Victor Frankl einmal den bloßen Verschönerungsverein der sog. Künstler nannte. Zweifellos eine schöne Facette im menschlichen Dasein, aber eben Dekoration, KEINE Kunst.
2005, als ich Sigita Laubengaier kennenlernte, waren in ihren Bildern Figuren präsent. Dann folgten Jahre des sich ins Unfigürliche Bewegens, hin zu einer Art „Wesenräume“ – geistige Räume, die Auseinandersetzung forderten.
In den neuesten Arbeiten tauchen wieder Figuren auf – menschliche wie tierische. Beide stehen für das grundlegende Prinzip allen Lebens, weisen darauf hin, dass wir im Wesentlichen verwandt sind.
Ihre innere Auseinandersetzung mit unserer Zeit ebenso wie mit Mythen oder Fabeln prägt alle Arbeiten, ein Weitergehen im Bild jenseits von Sprache. In diesem Malprozess, der nie schnell geht, begibt sie sich quasi in den Urgrund des Seins! Sie legt uns Ihren Weg offen und öffnet uns damit einen Pfad, weg vom so verbreiteten „bespaßten“ Alltag hin zu geistigen Tiefen, was heutzutage weitgehend verlorengegangen ist, aber doch viel mehr Freude und tiefe Befriedigung gibt als pure Unterhaltung!
Dabei bewegt sie sich nicht in alten Geschichten, diese sind eher eine Art Nährboden IN ihr, auf dem IHRE Sichtweisen des Zeitlosen allen Daseins wachsen.
Ihre Arbeiten entstehen nicht schnell, einige sind sogar über Jahre gewachsen, bis sie das Gefühl von „fertig“ in sich spürte.
Obwohl viele Bilder gar nicht so „farbig“ wirken, spielt Farbe eine große Rolle bei Sigita Laubengaier. Immer auf der Suche nach der passenden Farbe, dauert es oft lang, bis die „Richtige“ da ist. Entsprechend besteht fast jedes Bild aus bis zu 5 Schichten, die übereinander liegend erst die Fassung ergeben, die Sie heute sehen.
Hier experimentiert sie – wenn es ihr nötig erscheint – mit diversen Materialien. Mit allen möglichen Gegenständen trägt sie Farbe auf, nicht nur mit einem Pinsel, lässt antrocknen, wäscht ab, kratzt, wischt, bis sich Strukturen bilden. Selbst immer wieder überrascht von dabei entstehenden Formen arbeitet sie dann wie in einer Art Dialog mit diesen weiter. Die Farbflächen werden so zum Hintergrund, danach erst entsteht der Vordergrund auf dem sich ihre Figuren entwickeln.
Ein begeisterter Kunstinteressierter fragte Sigita Laubengaier vor kurzem, warum ihre Figuren schwarz-weiß seien, ohne Fleisch und Knochen sozusagen. Ich glaube es geht ihr einfach mehr um „das Prinzip Mensch“ als um einzelne Personen, um die wichtige Rolle die der Geist spielt.
Heute steht der Körper im Mittelpunkt, viel zu sehr aus meiner Sicht. Wie oft habe ich gehört: „Mein Geist will schon, aber der Körper macht nicht mit“ – was doch gar nicht stimmt! Der Körper macht immer mit, wenn der Geist tatsächlich will! Natürlich grundsätzlich unter der Voraussetzung der Vergänglichkeit des Physischen!
Heinz Ohff hat Mitte des letzten Jahrhunderts ein Büchlein mit dem Titel „Kunst ist Utopie“ geschrieben. Auf ihre Weise lässt Sigita Laubengaier uns das spüren, denn Utopien beginnen immer im Geist, der sich über die physischen Begrenzungen des Hier und Jetzt weit erheben kann. Es liegt an uns diesem fernen Lichtschein nachzugehen.
Franz Marc hat einmal gesagt Kunst sei immer nur Erkenntnis und Bejahung des Glaubens – Brauchbarkeit, Genuss, Glück liegen aus seiner Sicht nur auf der äußersten Peripherie des Kunstempfindens, wo die Kunst verdünnt und verschlechtert ein höchst ärmliches Dasein führe.
Sigita Laubengaier arbeitet fast nur aus inneren Bildern heraus, aus einem breiten Konglomerat an Eindrücken aller Lebensbereiche.
Sigita Laubengaier sind Titel eher unwichtig. Jeder sollte sich zuerst allein mit den eigenen Augen auf ihre Bilder einlassen.
Seit Schulzeiten hat sie immer nur Hilfe bezüglich diverser Techniken gesucht, hat viel experimentiert. Zwei- wie dreidimensional. Formal wollte sie von Anfang an eigene Wege gehen, sich nicht beeinflussen lassen. Inzwischen ist ein breiter Fundus an maltechnischem Handwerk herangewachsen, sie hat „ihre“ Technik gefunden. Auf diesem Fundament kann sie sich ganz frei auf den Malprozess einlassen, der ihr ermöglicht, die aus dem Inneren kommenden Bilder „laufen zu lassen“, wie sie es nennt. Der Kopf als eine Art Barriere zum Unbewussten wird ausgeschaltet. Ihre innere Intuition fließt quasi direkt in die Hände. Als Rechtshänderin beginnt sie oft mit der linken Hand, weil diese weniger „kopfgebunden“ ist, Unbewusstes weniger blockiert. Mit der Rechten wird erst danach auf Genauigkeit der Ausführung geachtet, eher nur technisch weitergefeilt. Bis dieser Prozess zu Ende ist, kann es sehr lange dauern und viele Schichten wachsen dabei übereinander.
Sigita Laubengaier empfindet ihre Arbeit als einer Art „prophetisches Malen“ – ein Tasten in die Zukunft. Das entspricht dem, was der österreichische Schriftsteller Karl Kraus meint, für den Kunst das ist, was Welt wird, nicht was Welt ist.
Dr. Michaela Duhme